Mit der Debatte zum sogenannten Azubi-Mindestlohn positioniert sich die Politik gegen die gelebte Betriebs- und Tarifautonomie. Die Kreishandwerkerschaft Bergisches Land schließt sich den Statements des Deutschen Handwerks und anderer Wirtschaftsverbände an, erläutert der Hauptgeschäftsführer Marcus Otto. „Viele Jahre haben die Partner der jeweiligen Tarifkommissionen ohne die Einmischung der Politik erfolgreiche Abschlüsse erzielt. Daher war dieser Vorstoß aus unserer Perspektive überflüssig.“
Erklärung der Begrifflichkeiten
Im Zusammenhang mit dem Thema Azubi-Mindestlohn wird oft darüber diskutiert, ob die Auszubildenden von diesem Geld ihren Unterhalt finanzieren und „leben“ können. Die Ausbildungsvergütung ist weder ein „Lohn“ noch ein „Gehalt“, sondern eine finanzielle Unterstützung zum Lebensunterhalt, die der Betrieb seinem Auszubildenden zahlt. Es stehen weitere Unterstützungsinstrumente zur Verfügung: Kindergeld und beispielsweise die Berufsausbildungsbeihilfe der Agentur für Arbeit. „Auszubildende sind keine voll einsatzfähigen Arbeitskräfte. Sie erlernen ihren Ausbildungsberuf noch. Daher ist die Ausbildungsvergütung auch gestaffelt“, erklärt der Hauptgeschäftsführer Marcus Otto. „Im Übrigen erhalten Studenten während ihrer Ausbildung keine finanzielle Monatszahlung, die sie nicht zurückzahlen müssen. Es sei denn sie erhalten ein Stipendium.“
Das Handwerk zahlt in 2019 bereits mehr als Mindestlohn
„Dem Handwerk in der Region liegt es sehr am Herzen, dass die Ausbildungsvergütung für die jungen Menschen grundsätzlich auskömmlich ist“, betont der Hauptgeschäftsführer Marcus Otto. „Das ist auch selbstverständlich im Interesse der zahlreichen Lehrmeister in Leverkusen, Rhein-Berg und Oberberg, denn schließlich sind die Lehrlinge unsere Zukunft. Dennoch muss jede Ausgabe unternehmerisch gerechnet und durch Kundenaufträge eingenommen werden.“ In den Ausbildungsberufen, die von der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land betreut werden, ist es bereits in diesem Jahr so, dass die Betriebe mehr als den sogenannten ’Azubi-Mindestlohn‘ von 515 € im Monat zahlen. Ein Bäcker in der Ausbildung erhält beispielsweise im ersten Lehrjahr bei Anwendung des Tarifvertrages 615 €, ein angehender Anlagenmechaniker für Sanitär, Heizungs- und Klimatechnik zu Beginn 690 € und ein Aus-zubildender im Bauhandwerk bekommt 850 € im ersten Lehrjahr.
Das Friseurhandwerk veröffentlicht zum 1. August 2019 neue Tarifverträge. In den vergangenen Jahren haben die zuständigen Tarifpartner bereits hohe Steigerungen verhandelt. Daher erwartet der Hauptgeschäftsführer Marcus Otto noch in diesem Jahr eine Steigerung. „In anderen Branchen geht es um Steigerungen von 3,2 % oder 1,4 % mehr Lohn bzw. 8 % mehr Lohn in drei Stufen über mehrere Jahre. Die Friseure haben in den letzten Jahren jedes Jahr die Löhne und Ausbildungsvergütungen angehoben. Allein zum 1.8.2017 stieg die Vergütung des ersten Lehrjahrs um knapp 10 % und zum 1.8.2018 erneut um 6,25 %.“ Bis zum 31. Juli 2019 erhält ein Friseur im ersten Ausbildungsjahr eine Vergütung von 510 €.
Der weitere Entscheidungsweg
Am Mittwoch (15. Mai 2019) hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf für die Novelle des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) beschlossen. Ein Bestandteil der BBiG-Novelle ist die Einführung einer Mindestausbildungsvergütung. Es wird erwartet, dass das Thema noch vor den Sommerpause im Parlament beraten wird.